Wissenswertes
Life after the end of a protest cycle: development paths of local protest in electoral authoritarian regimes. The case of Russia 2011-2016
PhD project of Jan Matti Dollbaum (2016-20), Supervisor: Prof. Heiko Pleines
Was hält soziale Bewegungen nach dem Abklingen großer Protestwellen am Leben – insbesondere wenn die öffentliche Aufmerksamkeit abebbt und Repression zunimmt? Die Forschung zu sozialen Bewegungen und Protest beschäftigt sich meist mit den Hochphasen von Protestmobilisierung. Ausgehend vom Contentious Politics-Ansatz und Pfadabhängigkeitstheorien entwickelt diese Studie dagegen eine Typologie von Akteurskonstellationen und Taktiken, die Kontinuität, Wandel und Niedergang von Protestbewegungen nach dem Ende von Protestzyklen bestimmen. Dabei wird auf Erkenntnisse von bisher weitgehend unverbundenen Forschungssträngen zurückgegriffen: Literatur zu sozialen Bewegungen fließt ebenso ein wie Forschung zu Zivilgesellschaft und zur Stabilität autoritärer Systeme.
Die Rezeption des Forschungsstands und die darauf aufbauende Konzeptualisierung konzentrieren sich auf Bewegungen in autoritären und hybriden Regimen. Vor dem Hintergrund der spezifischen Eigenschaften solcher Systeme fragt diese Arbeit: Welche Mechanismen erklären divergierende Entwicklungspfade lokalen Protests? Welche Rolle spielen dabei A) die Mobilisierung während des vorangegangenen Protestzyklus, B) Lerneffekte einzelner Akteure, C) Veränderungen im lokalen Kontext, und D) gesteigerte Regimeunterstützung in diesem Prozess?
Die Arbeit nimmt an dieser Stelle auch den nationalen Kontext in den Blick: Aufbauend auf der Erkenntnis, dass Legitimation und Symbolpolitik bei der Stabilität autoritärer Regime eine zentrale Rolle spielen, untersucht die Studie, in welcher Weise ein auf die Legitimität der politischen Führung abstellender nationaler (Medien-)Diskurs die Art und Weise beeinflussen kann, in der Protest öffentlich geäußert und an wen er gerichtet wird.
Die Forschungsfragen werden am Beispiel lokaler Protestinitiativen in mehreren russischen Städten untersucht – von der Bewegung „Für Faire Wahlen“ (2011-2012/13) bis ins Jahr 2016. In den Fallstudien sollen dabei verschiedene erklärende Faktoren für lokale Protestentwicklung miteinander verknüpft werden: (1) lokale strukturelle Bedingungen (z. B. die Zugänglichkeit politischer Institutionen, die Stärke des repressiven Apparats oder sozio-ökonomische Bedingungen), (2) Strategien und Situationseinschätzungen von Aktivisten, (3) Allianzen und Verhältnisse von Akteuren zueinander, sowie (4) die durch den Konflikt mit der Ukraine ausgelösten Veränderungen im russischen politischen Diskurs – insbesondere der Zuwachs an politischer Unterstützung, den mehrere politische Institutionen im Frühjahr 2014 erfahren haben.
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