Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3 0330/ Online
Michael Loader (Glasgow)
Rebellious Republics: Moscow versus the Periphery and Resistance to Khrushchev’s 1958 Soviet Education Reform
Lunchtalk #81
12:00 Uhr, OEG Raum 3790
With Aleksandra Rumiantseva on Why Local Authorities Allow Dissent in Autocracies: Evidence from the 2017-2018 Navalny Protests in Russia.
18:00 Uhr, EuropaPunktBremen
Was ist los in Belarus?
Mit Olga Dryndova und Prof. Susanne Schattenberg
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3 0330/ Online
Charlotte Murphy (Freiburg)
In Sidur's studio. The non-conformist sculptor and artist Vadim Sidur between Soviet cultural policy and transnational networking.
Abteilung Zeitgeschichte und Kultur Osteuropas am IfG
28 Std./Monat
Wissenswertes
"Der freieste Ort in der gesamten UdSSR"? Hafterlebnis und Hafterfahrung (Polit)gefangener in der Sowjetunion, 1956-1987.
Forschungsprojekt von Manuela Putz, finanziert von der Zentralen Forschungsförderung der Universität BremenNach Stalins Tod wurde die berühmt-berüchtigte Hauptverwaltung der Lager, GULAG, aufgelöst und im Zuge von Massenamnestierungen Hunderttausende der vormaligen Lagerinsassen aus der Haft entlassen. Wenngleich der Massenterror nach 1953 sein Ende fand, so markierte das „Tauwetter“ unter Nikita Chruščev nicht das Ende aller staatlichen Repressionen in der Sowjetunion. Seit Mitte der 1950er Jahre bis hin zum Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wurden rund zehntausend Menschen aus politischen Motiven zu Gefängnis- und Lagerhaft verurteilt und saßen als „besonders gefährliche Staatsverbrecher“ in Strafvollzugsanstalten ein. Viele von ihnen waren Andersdenkende und Regimekritiker.
Nach Reformen des Strafvollzugssystems zu Beginn der 1960er ging die Staatsmacht dazu über diejenigen, die als „besonders gefährliche Staatsverbrecher“ verurteilt worden waren, vom übrigen Häftlingskontingent zu isolieren und in gesonderten Lagerabteilungen an zwei Standorten in der Sowjetunion - in Mordvinien und im Permer Gebiet – zu konzentrieren. Das in den beiden Lagerkomplexen ŽCh-385 und VS-389 internierte Häftlingskontingent spiegelt die gesamte Bandbreite des gesellschaftlichen Dissenses in der Sowjetunion in verdichteter Form wider. Ebenso wird aus Erinnerungen ehemaliger Häftlinge, aber auch ihrer Bewacher, deutlich, dass der Häftlingsalltag im „Politlager“ anders aussah, als in den übrigen Strafvollzugseinrichtungen des Landes.
Das Dissertationsprojekt analysiert die beiden Lagerkomplexe in Mordvinien und Perm als Lebens- und Begegnungsraum und fragt nach ihrer Bedeutung für die sowjetischen Oppositionsbewegungen. Sowohl die Topographie und die räumlichen Bedingungen, als auch die im Lager agierenden Akteure und die soziale Ordnung werden ins Blickfeld genommen und die Wirkungsmacht der Mordvinischen und Permer Lager auf die sich formierenden sowjetischen Untergrundbewegungen und ihre Untergrundkultur untersucht. Die Häftlinge werden dabei als Repräsentanten von gesellschaftlichen Gruppierungen und geistigen Strömungen identifiziert. Im Zentrum der Forschung stehen Fragen nach der Wahrnehmung von Hafterfahrung im Politlager für den Einzelnen als Individuum, als auch für die sowjetischen Untergrundbewegungen, sowie die Funktionsweise von Kommunikationsnetzwerke und kulturellen Praktiken. Welche Tradierungsmuster sind in der Wahrnehmung der Lagerhaft durch einzelne Vertreter gesellschaftlicher Bewegungen zu erkennen? Wirkte die Lagerhaft im Politlager identitätsstiftend? Welchen Stellenwert hatte die Lagerhaft bei der Vernetzung und Organisation von Regimekritikern? Inwieweit diente das Politlager als Kommunikationsplattform, sowohl innerhalb des Politlagers, als auch über seine Grenzen hinweg? Und letztlich: Welche Aussagen können in Bezug auf den Stellenwert der Politlager bei der Ausprägung der sowjetischen Untergrundkultur getroffen werden?
Das Forschungsprojekt verfolgt die These, dass die Einrichtung der speziellen Lagerabteilungen für politische Häftlinge den Organisationsgrad der losen gesellschaftlichen Gruppierungen beschleunigte und diese polarisierte. Das Politlager war nicht nur Diskussionsplattform, der „freieste Ort in der gesamten UdSSR“, sondern auch eine „Universität“, in der die Häftlinge – und auch ihre Angehörigen in der Freiheit - durch gegenseitigen Kontakt politisiert wurden. Im Lager und um die Lagerhaft bildeten sich Organisationsstrukturen des politischen Widerstands, von denen (Beschwerde-)briefe aus den Mordvinischen und Permer Lagern, Berichte über die dortigen Haftbedingungen, Lagerpoesie und Lagererzählungen, aber auch Solidaritätsaufrufe mit den politischen Gefangenen und Kampagnen zur Freilassung der politischen Häftlinge zeugen. Diese Dokumente bilden einen wesentlichen Bestandteil der im Selbstverlag (Samizdat) verlegten Untergrundliteratur und lassen darauf schließen, dass der Kulturraum Politlager maßgeblichen Einfluss auf Form und Gestaltung der sowjetischen Untergrundszene, vor allem innerhalb der Bürgerrechtsbewegung, genommen hat.
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