Odesa-Tage 2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, / Zoom
Gun-Britt Kohler (Oldenburg) | Feld, Markt, Ideologie. Der belarussische Literaturbetrieb im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
Conference: Coming to the Surface or Going Underground? Art Practices, Actors, and Lifestyles in the Soviet Union of the 1950s-1970s
Research Centre for East European Studies (FSO)
Registration until 07.11.2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, / Zoom
Markian Prokopovych (Durham) | Dubious Legacies. Cities of Eastern, East-Central, and South-Eastern Europe, 1850-2000
Wissenswertes
Forschungsstelle Osteuropa
Die Forschungsstelle Osteuropa (FSO) ist als An-Institut eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung an der Universität Bremen. Sie wird gemeinsam von der Kultusministerkonferenz und dem Land Bremen finanziert. Im Jahre 1982 mitten im Kalten Krieg gegründet, versteht sich die FSO heute als ein Ort, an dem der Ostblock und seine Gesellschaften mit ihrer spezifischen Kultur aufgearbeitet sowie aktuelle Entwicklungen in der post-sowjetischen Region analysiert werden.
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Nachruf auf Alla Sariban (1948 in Odesa — 21.10.2025 in Mainz)
Nachruf auf Alla Sariban

Alla Sariban
(1948 in Odesa — 21.10.2025 in Mainz)
Am 21. Oktober 2025 verstarb Alla Sariban im Alter von 77 Jahren in Mainz. Sie war im Berufsleben Biophysikerin, aber bekannt wurde sie als unerschrockene sowjetische Dissidentin und Aktivistin der Frauenbewegung, Mitglied des Leningrader Frauenrechtsklubs sowie Autorin und Mitwirkende der Samisdat-Zeitschrift Maria.
Alla Sariban wurde 1948 in Odesa in der sowjetischen Ukraine geboren. Im Alter von fünf Jahren zog sie nach Leningrad (heute Sankt Petersburg), wo sie von ihrer Tante und ihrem Onkel aufgezogen wurde. Sie studierte Chemie und Biophysik an der Leningrader Universität und promovierte später im Fach Chemie an der Moskauer Universität. Anschließend arbeitete sie mehrere Jahre an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR sowie im Forschungsinstitut „Plastpolymer“. In dieser Zeit begann sie, sich für Fragen der Frauenrechte zu interessieren.
Im April 1980 lernte Alla Sariban die Führungsgestalten der sowjetischen Frauenbewegung Galina Grigorjeva und Tatjana Goritschewa kennen und schloss sich bald dem neu gegründeten Frauendiskussionsklub Maria an. In der Sowjetunion, wo laut Parteidoktrin Frauen gleichberechtig waren, war es unerhört, das Gegenteil zu behaupten und öffentlich zu machen, dass Frauen unter einer Dreifachbelastung litten – Berufstätigkeit, Kinderversorgung, Haushaltsführung bei stets leeren Geschäften und langen Schlangen davor, und Männer nicht nur keine Hilfe, sondern eine zusätzliche Belastung waren. Als der Klub begann, eine gleichnamige Zeitschrift herauszugeben, die sich diesen Problemen widmete, arbeitete Sariban mit und verfasste mehrere Beiträge, darunter gemeinsam mit anderen den „Appell an die Mütter“, in dem sie gegen die sowjetische Invasion in Afghanistan protestierte. Die Untergrundzeitschrift zog bald die Aufmerksamkeit des KGB auf sich, der mehrere der Herausgeberinnen, darunter auch Goritschewa, bereits im Juli 1980 zur Emigration zwang. Alla Sariban gehörte zu den Frauen, die „das Banner übernahmen“ und die Arbeit an Maria fortsetzten. Doch auch sie stand ein Jahr später vor der Wahl zwischen Verhaftung und Ausreise. Im Mai 1981 verließ sie die Sowjetunion – ein Einschnitt, den sie selbst als Beginn ihres „zweiten Lebens“ bezeichnete.
Nach Zwischenstationen in Wien und München ließ sich Alla Sariban schließlich in Mainz nieder. Sie arbeitete weiter an der dritten Ausgabe von Maria und veröffentlichte mehrere Artikel über die Lebensbedingungen von Frauen und Kindern in der Sowjetunion in Exil- und westlichen Publikationen. 1989 erschien ihr Erinnerungsband Der schmale Weg zu Gott: Meine Erfahrungen im realen Sozialismus der Sowjetunion (Matthias-Grünewald-Verlag). In den folgenden Jahren war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Schwerpunkt Polymersimulation an verschiedenen Forschungseinrichtungen in Deutschland tätig, darunter an der Universität Mainz, am Max-Planck-Institut für Polymerforschung und an der Technischen Hochschule Darmstadt. Zugleich engagierte sie sich weiterhin in verschiedenen Frauenorganisationen in Deutschland.
Mit dem Eintritt ins Rentenalter wandte sich Alla Sariban wieder verstärkt dem Schreiben zu. Nach ihren eigenen Worten hat sie „die Gelegenheit ergriffen, aus den Texten, die ich früher parallel zu dem praktischen Engagement schrieb, etwas ‚Rundes‘ zu gestalten.“ In ihrem zweiten Buch Verinnerlichung der Diktatur: Ein Briefwechsel in Zeiten der Transformation (Iatros-Verlag, 2007) versuchte sie, die Erfahrungen von Menschen aus den ehemaligen sozialistischen Ländern in Westeuropa zusammenzufassen. Zugleich setzte sie sich darin mit ihrem Leben in der Sowjetunion, ihrer Emigration und ihrem beruflichen sowie persönlichen Werdegang in Deutschland auseinander. 2012 veröffentlichte sie außerdem einen Essayband über die langfristigen Folgen des Aufwachsens in der Sowjetunion unter dem Titel Die Diktatur von Innen: Langzeitfolgen des realen Sozialismus (Iatros-Verlag, 2012).
Ihren Archivbestand in der Forschungsstelle Osteuropa gründete sie 2006. Alla Sariban starb nach schwerer Krankheit, von der sie bis zuletzt geglaubt hatte, sie besiegen zu können. Sie wird als eine der Pionierinnen der Frauenbewegung in der späten Sowjetunion in Erinnerung bleiben. Sie wird ihren Freunden und ehemaligen Weggefährtinnen sehr fehlen.
Elizaveta Olkhovaya
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